FAQ zur Eigenverwaltung


Was ist eine Eigenverwaltung?

Die Eigenverwaltung (§§ 270 InsO ff.) ist eine besondere Form des Regelinsolvenzverfahrens, die es dem Schuldner ermöglicht, weiterhin die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das eigene Vermögen auszuüben. Dies bedeutet, dass die Geschäftsführung für die operativen Entscheidungen verantwortlich bleibt und ihre Kompetenzen gerade nicht an einen Insolvenzverwalter abzugeben hat. Das Insolvenzgericht bestellt einen sog. Sachwalter der das Verfahren für das Gericht und die Gläubiger beaufsichtigt und die wirtschaftliche Lage des Schuldners prüft sowie die Geschäftsführung überwacht, §§ 270 Abs. 1, 274 Abs. 2 InsO.
Mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), das am 1. März 2012 in Kraft trat, sollte die bis dahin nahezu bedeutungslose Eigenverwaltung grundlegend reformiert werden. Ziel des Gesetzgebers war es, den Zugang zur Eigenverwaltung zu erleichtern und so früh- und rechtzeitige Insolvenzanträge zu fördern, um dadurch Sanierungschancen zu erhöhen. 
Trotzdem ist auch eine Eigenverwaltung ein reguläres Insolvenzverfahren, das nach § 1 InsO in erster Linie der bestmöglichen und gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger dient. Die Eigenverwaltung ist allerdings besonders darauf ausgerichtet dieses Ziel durch die Sanierung des Unternehmens zu erreichen. 
Die Anordnung der Eigenverwaltung setzt voraus, dass sie vom Schuldner selbst beantragt wird und keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird, § 270 Abs. 2 InsO. Wird der Antrag auf Eigenverwaltung von einem einstimmigen Beschluss des vorläufigen Gläubigerausschusses (s.u.) unterstützt, gilt die Anordnung als nicht nachteilig für die Gläubiger, § 270 Abs. 3 InsO.
Aufgrund der eben genannten Voraussetzungen und dem Verbleib der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Schuldner ist die Anordnung der Eigenverwaltung stets auch Zeichen für einen vom Insolvenzgericht mitgetragenen Vertrauensvorschuss der Gläubiger in die Fähigkeiten und die Eignung der Geschäftsführung, das Unternehmen in der Insolvenz zu sanieren.


Was sind die Vorteile der Eigenverwaltung?

Die Eigenverwaltung beinhaltet stets das positive Signal an den Markt, an die Gläubiger und nicht zuletzt auch an die eigene Belegschaft, dass der Geschäftsbetrieb aufrechterhalten wird und das Unternehmen selbst zur Sanierung bereit und in der Lage ist. 
Gleichzeitig bleibt die Geschäftsleitung, die die Sanierung unterstützt, an Bord. Bereits eingeleitete Sanierungsprozesse können ohne Reibungsverluste fortgesetzt und neue Maßnahmen schneller eingeleitet werden. Begleitet wird die Geschäftsleitung dabei von auf Insolvenzsituationen spezialisierten Beratern, die den eigentlichen Insolvenzprozess steuern und gemeinsam mit dem Unternehmen Lösungen - z.B. einen Insolvenzplan - entwickeln, um die Krise zu überwinden. Die Geschäftsleitung ist somit aktiver und wichtiger Teil der Lösung.


Was ist das Insolvenzeröffnungsverfahren in Eigenverwaltung / Schutzschirmverfahren?

Jedem Insolvenzverfahren geht zunächst ein sog. Insolvenzeröffnungsverfahren voraus, in dem ein gerichtlich bestellter Gutachter das Vorliegen der Insolvenzeröffnungsgründe (drohende) Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung, die Deckung der Verfahrenskosten sowie die Fortführungsaussichten des Unternehmens prüft. Bei beantragter Eigenverwaltung übernimmt diese Aufgabe in der Regel der sog. vorläufige Sachwalter.
Nach §§ 270a und 270b InsO kann der Schuldner grundsätzlich zwischen zwei möglichen Szenarien des Insolvenzeröffnungsverfahrens wählen.

Vorläufiges Eigenverwaltungsverfahren

Stellt der Schuldner nur einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung soll das Gericht, sofern dieser Antrag nicht offensichtlich aussichtslos ist, im Eröffnungsverfahren davon absehen, dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder anzuordnen, dass alle Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Bereits im Eröffnungsverfahren wird somit sichergestellt, dass die Geschäftsführung weiter für die operativen Entscheidungen zuständig bleibt. 
Gleichwohl kann das Gericht Maßnahmen zum Schutz des Unternehmens anordnen und u. a. die Zwangsvollstreckung, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind, untersagen. Der Schuldner kann damit auch im vorläufigen Eigenverwaltungsverfahren den Insolvenzgeldeffekt für die Dauer von maximal drei Monaten für sich nutzen, ohne Vollstreckungsmaßnahmen von Gläubigern befürchten zu müssen.

Schutzschirmverfahren

Ist das Unternehmen nicht zahlungsunfähig, sondern nur drohend zahlungsunfähig oder überschuldet und ist die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos (Sanierungsbescheinigung), kann die Geschäftsführung neben der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung zusätzlich die Durchführung eines sogenannten Schutzschirmverfahrens nach § 270b InsO beantragen. Die mit Gründen versehene Sanierungsbescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation muss das Unternehmen gemeinsam mit dem Insolvenzantrag bei Gericht einreichen. 
Ordnet das Insolvenzgericht das Schutzschirmverfahren an, hat der Schuldner bis zu drei Monate Zeit, einen geeigneten Insolvenzplan auszuarbeiten. Während dieser Zeit hat das Insolvenzgericht auf entsprechenden Antrag des Schuldners gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner zu untersagen oder einstweilen einzustellen, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind. Die Geschäftsleitung ist zudem berechtigt, eine bestimmte Person als (vorläufigen) Sachwalter vorzuschlagen, die allerdings personenverschieden vom Austeller der vorzulegenden Sanierungsbescheinigung sein muss. Das Gericht darf von diesem Vorschlag nur abweichen, wenn die vorgeschlagene Person offensichtlich für die Übernahme des Amtes nicht geeignet ist.


Welche Unternehmen eignen sich für eine Eigenverwaltung?

Nicht für jedes Unternehmen und auch nicht für jede Krisensituation macht ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung Sinn. Die Erfolgsaussichten sind vielmehr von verschiedenen Faktoren abhängig. 
Um in der Krise nicht von einer Insolvenzantragspflicht überrascht zu werden, sollte das Unternehmen mit seinen Beratern ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung möglichst frühzeitig - gegebenenfalls parallel zu einem außergerichtlichen Sanierungsverfahren - vorbereiten. Ein gut vorbereiteter und frühzeitig gestellter Insolvenzantrag erhöht die Aussichten auf eine erfolgreiche Sanierung maßgeblich.
Das Unternehmen sollte über eine gewisse kritische Mindestgröße zur Umsetzung der notwendigen insolvenzrechtlichen Prozesse verfügen. Entscheidend ist hier allerdings der Einzelfall. 
Eine erfolgreiche Eigenverwaltung ist nur möglich, wenn die Geschäftsführung auch tatsächlich ihre Organpflichten erfüllen kann. Dies setzt insbesondere eine geordnete Organisation, transparente Strukturen und Entscheidungsprozesse sowie eine funktionierende und aktuelle Buchhaltung zwingend voraus. 
Ohne externe sanierungs- und insolvenzerfahrene Berater, die in Krisensituationen das Vertrauen der wesentlichen Beteiligten (Banken, Warenkreditversicherer, Kunden, Gewerkschaften, u. a.) besitzen, wird der „Turnaround" selten gelingen. Das bedeutet aber auch, dass das eingeleitete Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung vom Management unterstützt und mitgetragen werden muss, weshalb es wegen der Besonderheiten eines Insolvenzverfahrens erforderlich sein wird, Kompetenzen an die Insolvenzberater abzugeben. 
Besonders geeignet sind Unternehmen, deren Krise auf exogene Ursachen, wie bspw. Forderungsausfälle, auf die ein an sich ertragsfähiges Unternehmen keinen Einfluss hat, verantwortlich sind. 
Idealerweise akzeptieren die Gläubiger von Beginn an das Sanierungskonzept und die Eigenverwaltung. Deswegen sollten wesentliche Gläubiger, die wichtigsten Kunden, Arbeitnehmer und auch die möglichen Mitglieder eines Gläubigerausschusses rechtzeitig eingebunden werden.


Wie ist die Aufgabenverteilung im Verfahren?

Was ist und macht ein (vorläufiger) Gläubigerausschuss?

Der (vorläufige) Gläubigerausschuss unterstützt und überwacht den (vorläufigen) Sachwalter sowie den Schuldner. Er entscheidet über wesentliche und bedeutsame Rechtshandlungen.


Einstimmige Voten des Gläubigerausschusses haben Einfluss auf die Bestellung eines bestimmten Sachwalters und auch auf die Verfahrensart (Eigenverwaltung oder Fremdverwaltung).
Sind zwei der drei folgenden Unternehmenskennzahlen erreicht, muss vom Gericht ein vorläufiger Gläubigerausschuss eingesetzt werden:

  • mindestens 6.000.000 Euro Bilanzsumme nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Fehlbetrags im Sinne des § 268 Abs. 3 HGB;
  • mindestens 12.000.000 € Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag;
  • im Jahresdurchschnitt mindestens fünfzig Arbeitnehmer.

Falls die Kriterien nicht erfüllt sein sollten, kann sich trotzdem ein Ausschuss konstituieren und das Gericht diesen einsetzen. 
Wichtig bei der Zusammensetzung des Ausschusses ist, dass die verschiedenen Gläubigergruppen ausreichend repräsentiert sind. Ist das nicht der Fall, wird das Gericht entsprechende Vorschläge nicht akzeptieren können und nach eigenem Ermessen einen Ausschuss bestimmen. Um den Erfolg der Eigenverwaltung nicht zu gefährden, sollte man deshalb bereits vor Antragstellung klären, welche Personen unter diesem Aspekt als Mitglieder des (vorläufigen) Gläubigerausschuss in Betracht kommen und auch bereit sind, ein Amt zu übernehmen. Ebenso sollte dies vor dem Antrag mit dem Gericht abgestimmt werden.

Wie wähle ich den richtigen Berater aus?

Der Berater sollte über hinreichend Erfahrung in der Vorbereitung und erfolgreichen Durchführung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung besitzen. Bei größeren Unternehmen sollte der Berater zudem bereits Erfahrung in Verfahren ähnlichen Umfangs und über ein qualifiziertes Team und ausreichende Kapazitäten verfügen. 
Die Eigenverwaltung eignet sich nicht für jedes Unternehmen. Ein seriöser Berater wird daher die Chancen und Risiken einer Eigenverwaltung im konkreten Fall mit der Geschäftsführung besprechen.
Entscheidender Erfolgsfaktor für die Eigenverwaltung ist das Vertrauen der Verfahrensbeteiligten in die Eignung und Fähigkeiten der, um einen erfahrenen Insolvenz- und gegebenenfalls Sanierungsexperten erweiterten, Geschäftsführung. Fehlt insbesondere dem Berater das Vertrauen des Gerichts oder des (vorläufigen) Sachwalters, ist ein erfolgreiches Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung nur schwer möglich. Auch ohne das Vertrauen der wesentlichen Verfahrensbeteiligten (z. B. Banken, Lieferanten, Kunden, Arbeitnehmervertretungen) lässt sich eine erfolgreiche Sanierung in Eigenverwaltung ebenfalls nur schwer realisieren. Es ist entscheidend, diese Themen im Vorfeld zu klären.